Es ist noch nicht ganz wissenschaftlich bewiesen, doch die Hypothese für weiter durchzuführende Studien lautet: Mit einer Posaune am Rucksack, wird man schneller in soziale Kontakte verwickelt
als mit einem mitgeführten Hundewelpen oder Baby. Äußerst effektiv für einsame Menschen, Singles oder Siegerländer.
„Papa, was hat die Frau da?“
„Das ist eine Trompete.“
Ich drehe mich um und betreibe Aufklärungsarbeit: „Das ist eine Posaune.“ Ich hätte auch sagen können: „Das ist eine Posaune, das schönste aller Blasinstrumente.“ Blechblasinstrument kann ich
nicht sagen, denn meine Posaune ist aus orangefarbenem Plastik und leuchtet, wenn die Sonne darauf scheint. Ich verschweige zudem das Horn, das ich klanglich eigentlich für das schönste aller
Blasinstrumente halte, das aber als Waldhorn wirklich altbacken und uncool daher kommt und sicherlich wegen seiner Rundungen noch weniger in meinen Wanderrucksack gepasst hätte.
„Warum haben Sie eine Trompete dabei?“
„Das ist eine Posaune. Andere haben einen Elefanten dabei, ich habe meine Posaune. Ich finde, ich habe mich für die deutlich tierfreundlichere und kostengünstigere Variante entschieden.“ Man
lacht.
„Was machen Sie mit der Vuvuzela?“
„Das ist eine Posaune. Ich spiele sie. Wollen Sie sie mal hören?“ Eigentlich nicht. Doch ich habe schon meinen Rucksack abgesetzt, den Zug in der Hand und setze ihn mit Schwung auf das
Schallstück. Das komplette Zusammenbauen schaffe ich in 28 Sekunden. Man staunt über die Größe und den Klang, der weniger nach Plastik klingt, als man so vermuten könnte. Ich bin auch erstaunt
und den Bergen dankbar.
„È una tromba?“
Wir sind in Italien angekommen.
„Questo è un trombone.“ Da ich meinen Italienischkenntnissen nicht traue, mache ich zusätzlich noch eine eindeutige Zugbewegung mit der Hand.
Kurz dachte ich „tromba“ hieße Posaune, da mich ein freundlicher Italiener in Segonzano ausführlich auf Italienisch über Posaunen und Trompeten informiert hat. Doch irgendwie muss ich da was falsch verstanden haben. Posaune heißt „trombone“. Zum Glück habe ich die Google-Übersetzung für Zugposaune, nämlich „trombone del treno“ erst jetzt gelesen, denn das hätte sicherlich manch müdem Wanderer Hoffnungen auf eine nicht in der Karte verzeichnete Bahnstation gemacht.
„Cosa fai con la tromba? Was machen Sie mit der Trompete?“
„Questo è un trombone. Io suono il trombone.“ Diesen Satz hat mir eine nette Pfadfindergruppe mit Gitarre vor dem Rifugio Sette Selle beigebracht. „Io suono il trombone. Ich spiele die Posaune“
ist nicht zu verwechseln mit „Io sono il trombone. Ich bin die Posaune“, was man mir nach diesen Ausführungen vielleicht auch zutrauen würde.
Menschen wollen Statistiken hören. Wie viele Kilometer seid ihr gelaufen? Wie viele Tage? Von wo nach wo?
Auch ich liebe Statistiken, wobei ich diese Fragen völlig überflüssig finde, da sie nichts über unser Alpenunternehmen aussagen.
Es waren ca. 600 Kilometer, 32 Tage, von Konstanz nach Verona.
Wie viele Kilometer das täglich waren? Das wissen wir nicht, denn jeder ernstzunehmende Wanderführer gibt solche Streckenentfernungen in den Bergen nicht oder nur im Nebensatz an. Was zählt sind
die Höhenmeter. Das waren täglich oft um die tausend hoch und wieder runter. Insgesamt waren es auf jeden Fall ca. 20.000 Höhenmeter im Aufstieg und 24.000 Höhenmeter im Abstieg. Wie die
Differenz von 4000 Höhenmetern zustande kommt, werde ich später noch beichten müssen, denn Konstanz liegt bekanntlich nicht 4000 Meter über dem Meeresspiegel.
Für mich wären Statistiken anderer Art interessanter:
Kann man eine Alpenüberquerung zu Fuß machen und dann Bus und Seilbahn fahren? Wir finden das geht nicht! Doch da hätten wir uns vorher informieren sollen. Wie schon erwähnt sind wir dem offiziellen Wanderführer gefolgt und der sieht diese Bus- und Seilbahnfahrten eben vor. Nun müssen wir mit dem schalen Gefühl leben, geschummelt zu haben, denn wir sind ja gar nicht wirklich „alles“ gelaufen, sondern
War es das mit dem Geständnissen? Nein!
Und wenn Sie denken, der Fernwanderweg E5 Konstanz – Verona würde in Verona enden, haben Sie weit gefehlt.
Das letzte Stückchen von Avesa nach Verona wird hoch offiziell (Schilder beweisen dies!) mit dem Bus zurückgelegt, da der Weg an der Straße einfach nicht zu empfehlen ist.
Um diese ganze unsportliche und unschöne Fahrerei zu kompensieren, haben wir bei allen zu wählenden Varianten, die schwierigere, längere, höhenmeterreichere alpine Variante gewählt.
Wir sind gerade mal vier Stunden gelaufen und ich habe keine Lust mehr. Der Rucksack gräbt tiefe Furchen in meine Schultern. Der Schweiß durchweicht das Funktions-Shirt, das bereits jetzt einen leicht süßlichen Geruch verströmt. Meine Haut fühlt sich nass und pappig an, mein Mund hingegen trocken. Ich bin zu erschöpft, um aus dem Trinkschlauch zu nuckeln. Über dem Asphalt flirrt die Hitze und ich drehe mich um, um zu kontrollieren, ob sich schon meine Schuhsohlen in die Teerdecke gegraben haben und damit wenigstens diese heroische Wanderung dokumentieren. Nichts, nur eine Katze, die mich unter einem Strauch liegend ignoriert.
Mittlerweile sieht man auch den Bodensee nicht mehr. Stattdessen links von mir eine Wand aus dichten zwei Meter hohen Sträuchern, rechts Bahngleise in den nächsten Ort. Die Bahn! Da könnten wir
jetzt drinsitzen und gemütlich nach Romanshorn fahren. Gerade rattert eine dieser gelb-weißen Schweizer Bahnen an uns vorbei.
In Gedanken erstelle ich eine Liste der Dinge, die ich statt unserer Wanderung gerade machen könnte: Am See liegen und die Füße reinhalten, in einem schattigen Café Eis essen, im Bett liegen,
einfach mal nichts tun...
Danach gehe ich durch, was meine Freunde gerade wohl machen: In einer Ferienwohnung am Mittelmeer chillen, mit dem Rad entlang der Ostsee, mit Katzenbabys kuscheln, Thai-Massage, Marktbummel,...
Alles hört sich attraktiver an, als das, was wir gerade tun.
Das ist unser erster Tag. Das ist der erste Tag von mindestens dreißig, wenn alles gut läuft oder wenn es schlecht läuft. Wer will schon dreißig Tage lang im eigenen Saft schwitzend einen Rucksack durch die Gegend tragen?
Wir machen eine Pause in Uttwill. Ich strecke mich auf einer Holzbank im Schatten eines Ahorns aus. Ich habe die Schuhe ausgezogen und auch meine Socken trocknen in der Sonne. Und ich schlafe! Wie gut das tut! Ich schlafe!
Nach einer Stunde fühle ich mich wieder ganz passabel. Ich habe zwar auch jetzt keine Lust mehr auf diesen Asphalt, auf diese Hitze und diesen nicht vorhanden Ausblick, aber nun weiß ich, was zu
tun ist: Ich hole meine Kopfhörer raus und höre einseitig verstöpselt Musik. Das wollte ich nur in Notfällen tun, denn eigentlich geht´s ja darum die Landschaft mit allen Sinnen zu erfassen. Aber
heute, am ersten Tag, ist ein Notfall und die Landschaft hat sich innerhalb der letzten drei Stunden sowieso nicht verändert. Ich habe ganz genau geguckt.
Eine Mischung aus A-Cappella-Gesang mit blödsinnig-lustigen Texten und Jazz-Balladen von Eva Cassidy schallen mir abwechselnd ins rechte Ohr. Manchmal singe ich mit, manchmal grinse ich vor mich
hin. Ich habe diese Stücke schon unzählige Male gehört und sie sind so effektiv wie eh und je. Ich gehe beschwingt, ja, Sie haben richtig gehört, beschwingt Richtung Süden, drehe mich zu Patricia
um und schreie ihr zu, dass sie doch auch Musik hören könne.
Und zack, sind wir da!
Wir sind mit den ersten Regentropfen in Rheineck angekommen. Die letzten Kilometer haben sich furchtbar gezogen, zwischen Flugzeug-, Bahn- und Autolärm am Arm des Altenrheins entlang.
Nun sitzt Patricia auf dem Bett des urigen Zimmers im alten Schulhaus und hat Tränen in den Augen. Hatte sie vor unserer Tour noch Sorgen um ihre Halswirbelsäule, so haben sich die Probleme nun an das andere Ende ihres Körpers verlagert. Ihre Füße sind voller Blasen und sehen wie zerfetzte Fleischklumpen aus. Hinzu kommt ein fieses Knirschen in der Achillessehne an der Ferse. Ich frag mich sowieso, wie sie es überhaupt bis hierher geschafft hat, denn diese Probleme gingen schon am ersten Tag los.
Draußen fängt es an zu gewittern. Wassermassen umspülen das Haus und ich bekomme besorgte Anfragen von zu Hause, ob es uns gut gehe, da es die Bodensee-Unwetter bis in die Tagesthemen geschafft haben.
Und nun? Was machen wir? Was macht Patricia? Was würde ich an ihrer Stelle tun? Ich weiß es nicht. Auf dem Jakobsweg bin ich mit Blasen an den Füßen gelaufen, aber da stand auch kein Hochgebirge mit ausgesetzten Stellen und vielen Höhenmetern auf dem Programm.
Wir befürchten beide, dass sie, wenn sie nach Verona kommen will, jetzt eine Pause braucht, und andere Schuhe…
Wir sitzen beim Italiener, essen eine Pizza und fällen genau diese Entscheidung: Sie pausiert, ich laufe weiter. Wenn sie sich einigermaßen berappelt, wird sie, mit drei anderen Freunden in
Oberstdorf wieder zu mir stoßen.
Bregenz. Couchsurfing bei André und João, zwei Portugiesen Mitte zwanzig. Die beiden teilen sich seit einem Jahr eine Wohnung in Bregenz und arbeiten beim selben kleinen Unternehmen als „mechanical engineers“. Und weil das Unternehmen so klein ist und sie sofort so viel Verantwortung übertragen bekommen haben und weil sie so jung und so belastbar sind, arbeiten sie rund um die Uhr und jetten abwechselnd durch die ganze Welt, um die neuen Standorte des Unternehmens zu betreuen. Deswegen haben sie auch keine Freunde in Bregenz und können kein Deutsch. Stattdessen spielen sie in ihrer wenigen Freizeit Computer, schauen Youtube-Videos oder sitzen abwechselnd Kette rauchend auf ihrem kleinen Balkon mit direktem Blick auf die Flaniermeile am Bodensee. Ich setze mich dazu, auf den Sitzsack links neben dem aufgeklappten und vollbeladenen Wäscheständer und lasse mir die Sonne auf meine nackten Beine scheinen. Es ist das erste Mal, dass sie einen Couchsurfing-Gast haben und dann auch noch eine Wandererin. Sie machen alles richtig: Ich darf sofort in die Dusche, ich bekomme ein frisches Handtuch von ihnen, darf mich am Obst und Wasser bedienen. Sie verraten mir von alleine ihren WLAN-Zugang und schlagen vor, später etwas zu kochen. Ich bin glücklich.
Ich hatte bereits in meiner Mail verraten, dass ich Veganerin bin, um keinen gut gemeinten Thunfisch-Salat oder Spaghetti Bolognese ausschlagen zu müssen. Nun bereitet João eine unglaublich
leckere Gemüsepfanne mit gebratenem Reis zu. Er schneidet Paprika in winzige Stückchen und lässt sich nicht helfen. Ich solle mich ausruhen, das hätte ich mir verdient. Ich frage ihn, was er für
Musik hört und als er „Blues“ antwortet, weiß ich auf einmal wie ich mich revanchieren kann. Ich schließe mein Handy an seine Anlage an und packe die Posaune aus: Ein „Blues in F“ geht immer,
besonders in frisch geduscht und wenn parallel die Zwiebeln in der Pfanne schmoren. João scheint es zu gefallen, er wippt mit und ich schaue, was sonst noch auf meiner Play-Along-Liste steht. Das
Essen ist wunderbar. Zum Nachtisch würde ich sie gerne auf ein Eis einladen, doch draußen gießt es schon wieder in Strömen. Wir bleiben drinnen und schauen Youtube-Videos. Dank João lerne ich die
Postmodern Jukebox kennen, die bekannte Pop-Songs verjazzen und die Songs klischeereich inszenieren. Macht Spaß, verhindert allerdings auch nicht, dass ich immer müder werde. André hat mir von
seiner letzten Flugreise mit Oman-Airways ein kleines Beutelchen mitgebracht, in dem sich eine Schlafmaske in schickem Beige, sowie eine Mini-Zahnpasta und -bürste befinden. Ich bin ganz gerührt
und flätze mich mitsamt der Schlafmaske auf das Sofa. Draußen glüht eine letzte Zigarette.
Hittis-Au, Hitti-Sau, Hittisau? Wie heißt das denn jetzt? Das ist doch Schikane! Ich stehe in Bregenz im Postbus und kann mich nicht artikulieren.
Hittisau. Wonach hört sich das an? Ich erwarte ländliche Idylle, alte Schweine-Zuchtbetriebe und einen Dorfbrunnen. Genau deswegen war ich auch in Bregenz noch groß shoppen und habe mich mit
veganen Aufstrichen und Obst eingedeckt. Als ich jedoch in Hittisau ankomme, bin ich überrascht: Am Ende der Welt gibt es alles: Zwei riesige Supermärkte, mehrere Wirtshäuser, die Post und eine
gemütliche Bäckerei, in der man sich über die alte Dorfschullehrerin unterhält, die gerade mit einem jungen Kerl über den Platz wackelt.
Ich verstecke mich hinter meiner Tasse Kaffee und falle kaum auf. Wenn ich mich ganz stark konzentriere, verstehe ich den einheimischen Dialekt und fühle mich Teil eines kleinen Ganzen.
Die letzten anderthalb Stunden des Tages von Höfle zum Staufner Haus geht es einfach nur steil bergauf. Das sah im Wanderführer schon so aus und ist auch wirklich so.
Zum Glück besteht der Himmel aus einer geschlossenen Wolkendecke. So kann ich mich vollkommen auf die Wiese und die Kuhfladen konzentrieren.
Das stimmt natürlich nicht. Stattdessen gehe ich Schritt für Schritt und laut keuchend die Töne der Tonleitern im Quintenzirkel durch. Wenn man alleine unterwegs ist, gibt es auch keinen Grund
mehr sich zusammenreißen zu müssen. Meinen Spick-Kontroll-Zettel mit dem Tonleitermaterial hatte ich vorausschauend in eine Klarsichthülle gepackt. Das ist gut, denn nun fängt es an zu
nieseln.
Ges-Dur! Ges, As, Beeee, Beeee,… Das kann doch nicht so schwer sein. Beeee… Ces! Ha! Das ist nämlich eigentlich ein H, nur dass man das nicht sagen darf, sag ich zu mir selbst.
Und weiter geht´ s Schritt für Schritt. Ich stolpere immer über dieselben Vorzeichen, lasse welche weg, erfinde welche dazu. Bin genervt. Aber es wird besser und mein Schritt immer schneller. Des, Es, F, Geeees!
Leider bin ich am Ende zu schnell. Da taucht schon das Staufner Haus im Nebel auf und meine Tonleiter-Kenntnisse gehen im selben Nebel wieder unter. Also bloß jetzt nicht danach fragen…
Es ist halb vier. Ich sitze in der Gaststube des Staufner Hauses und draußen regnet es inzwischen richtig. Auf Radio Vorarlberg laufen Oldies und ich summe leise mit. Plötzlich wird die Tür aufgerissen und eine Schulklasse kommt rein. Das müssen die sein, die ich bereits unten am Höfle gesehen habe. Sie übernachten hier. Krass! Sie waren mir schon bei meiner Pause aufgefallen. Auch sie haben pausiert, aber nichts zu essen ausgepackt, nicht rumgemurrt, nicht auf Handys rumgespielt. Seltsam! Auf den letzten Metern sind sie offensichtlich ganz schön nass geworden. Sie gratulieren sich gegenseitig zum bestandenen Tagesausflug und verdrücken sich anschließend in ihr Bettenlager. Von der Lehrerin erfahre ich, dass es sich um eine sechste Klasse einer Nürnberger Mittelschule handelt, dass sie sich ein Jahr lang auf diese Klassenfahrt in den Bergen vorbereitet haben, dass manche Kinder von ihren Eltern zu Weihnachten Wanderschuhe geschenkt bekommen haben und dass das für die ein ganz großes Ding ist, in den Bergen unterwegs zu sein. Das ist es auch. Herzlichen Glückwunsch!
Jetzt bin ich zwei Tage alleine gelaufen, so langsam brauche ich mal wieder Unterhaltung. Ich will auch nicht komisch werden und stundenlange Selbstgespräche führen. Andererseits: Vielleicht
könnte ich dann langsam mal den Quintenzirkel? Morgen steht die Überquerung der Nagelfluhkette auf dem Programm. Sie hört sich irgendwie respekteinflößend an und ist nur bei gutem Wetter zu
empfehlen.
Habe ich schon erzählt, dass es regnet? Noch abends in der Hütte hat es geblitzt und gedonnert und ich habe der inzwischen wieder fitten und um mich herum gesellschaftsspielenden Schulklasse
Platz gemacht und bin in den Nachbarraum umgezogen. Dort saßen sie dann alle: Peter und Petra, ein sympathisches Paar aus einem kleinen Ort in Sachsen. Fabian und Florian aus Osnabrück, deren
Namen schon seit Schulzeiten gerne verwechselt werden (wer weiß wieso?), Angus aus Beverly in Yorkshire, der alleine mit Zelt unterwegs ist und Dorothe aus der Nähe von Gießen, die ebenfalls
alleine wandert. Beide wollen bis nach Verona.
Wir haben uns nicht verabredet, doch am Frühstückstisch sehen wir uns wieder. Jeder startet in seinem Tempo. Das Staufner Haus liegt noch in einer dichten Wolke, doch zumindest ist es trocken. Beim Laufen finden wir uns in verschiedenen Konstellationen zusammen, so haben wir die ganze Zeit hervorragende Unterhaltung und lernen uns innerhalb kürzester Zeit ziemlich gut kennen. So habe ich auch keine Hemmungen schon nach einer Dreiviertelstunde auf dem ersten Gipfel, dem Hochgrat, meine Posaune auszupacken. Ich bin mit Peter und Petra unterwegs. Ich sage, dass ich ihnen ein Liebeslied vorspielen will, was für mich ein Vorwand ist, um mal wieder „Bésame mucho“ zu spielen. Prompt reißen die Wolken auf und man kann endlich die grüngrauen Aufschichtungen des Grates der Nagelfluhkette erkennen, denen wir heute folgen dürfen.
Die anderen haben mich von weitem gehört und sind neugierig geworden. Nun wollen auch sie ein Ständchen auf der Posaune bekommen. So kommt es, dass ich beinahe jeden Gipfel bespiele.
In der Gründlesscharte machen wir windgeschützt zwischen einigen Fichten eine Pause. Erst, als wir uns längst auf Peters Picknickdecke niedergelassen haben, bemerken wir die zahlreichen
getrockneten Kuhfladen um uns herum. Die dazugehörigen Kühe haben sich bereits mit ihrem Glockengeläut angekündigt. Nun steigen sie zu uns herauf und bestaunen unser Picknick. Wir haben alle
etwas ausgepackt und so kommt ein buntes Sammelsurium an Essensvorräten zusammen, das geteilt wird.
Eine besonders neugierige Kuh, Momo, wie uns das gelbe Plastik-Ohrschild verrät, hat sich in Petra verguckt. Sie klimpert mit ihren langen hellen Wimpern und beschnuppert Petras Beine. Petra ist
entzückt und streichelt sie. Das Fell fühlt sich warm und weich an. Nun ist Momo völlig verliebt und leckt zärtlich Petras Bein. Das geht Petra alles viel zu schnell. Sie schreit Momo an: „Hau
ab!“, doch ohne Erfolg, denn Momo lässt sich nicht so schnell abwimmeln. Wir anderen lachen, da wir noch nicht Momos Freundin bemerkt haben, die sich von hinten an unsere Picknickdecke
herangeschlichen hat und neben meinen aufgespießten Stöcken Wasser lässt.
Das Braunvieh hat uns offensichtlich schon komplett in seine Familie aufgenommen. So wundert es auch niemanden mehr, warum sie sich, während wir brav unsere Butterbrote essen, besteigen. Es lebe
die Natur!
Ina Maria Simon
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